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Kunsturhebergesetz bleibt auch unter der DSGVO anwendbar

Das Kunsturhebergesetz (KUG) und die Grundsätze der Rechtsprechung dazu bleiben auch unter der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) weiter anwendbar. Das haben mittlerweile zwei Gerichte in unterschiedlichen Sachverhalten bestätigt.

OLG Köln

Das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) sieht in § 23 Ausnahmen vor, nach denen auch ohne die Einwilligung der betroffenen Personen beispielsweise „Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte“ und „Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen“ veröffentlicht werden dürfen.

Mit Anwendbarkeit der der DSGVO (EU-Datenschutz-Grundverordnung) entstand die Unsicherheit, ob man sich bei der Veröffentlichung von Bildern zu solchen journalistischen Zwecken weiter auf diese Ausnahmeregeln berufen kann. Mit seinem Beschluss vom 18. Juni 2018 (AZ: 15 W 27/18) stellte das OLG Köln nun fest, dass sich das KunstUrhG in eine Öffnungsklausel der DSGVO einfügt und somit weiter anwendbar bleibt.

Bis zur DSGVO war Art. 9 der Richtlinie RL 95/46/EG das Einfallstor für nationale Gesetze, die zugunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken Abweichungen und Ausnahmen von den europäischen Vorgaben im Datenschutz aufstellten.

Diesen Bereich regelt nun Art. 85 DSGVO. Er regelt ihn aber wieder nicht inhaltlich – macht also keine materiell-rechtlichen Vorgaben – sondern ermächtigt (wie zuvor Art. 9 der Richtlinie RL 95/46/EG) als sog. Öffnungsklausel die Mitgliedstaaten, eigene Regelungen zu finden, den Datenschutz mit der Meinungs- und Informationsfreiheit in Einklang bringen.

Eine solche Regelung ist laut dem Beschluss des OLG Köln beispielsweise § 23 KunstUrhG. Das Gericht interpretiert Art. 85 DSGVO so, dass nicht nur neue, sondern auch bestehende Regelungen diese Öffnungsklausel füllen können.

Es geht sogar noch einen Schritt weiter und gibt künftigen Anwendern dieser Gesetze mit, dass im Rahmen der Abwägung innerhalb des KunstUrhG die unionsrechtlichen Grundrechtspositionen zu berücksichtigen sind. Das ist ein Verweis auf die Grundrechtecharta, die in Art. 8 den Schutz personenbezogener Daten und in Art. 11 die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit festschreibt. Diese sind nun bei der Auslegung der Ausnahmeregelung in § 23 KunstUrhG zu berücksichtigen.

Wer mit den Entscheidungen des EuGH in Bezug auf Fortgeltung nationalen Rechts vertraut ist, der erkennt hier, wie geschickt das OLG Köln die Weitergeltung des KunstUrhG begründet: Der EuGH zieht eine „unionsrechtsfreundliche Auslegung“ nationaler Gesetze immer dem Widerspruch und der damit verbundenen Unanwendbarkeit nationaler Gesetze vor. Dadurch, dass sich das KunstUrhG laut OLG Köln als nationales Gesetz in der Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO einfügt und zusätzlich dazu nun mit Hinblick auf europäische Grundrechte ausgelegt werden muss, sind den europäischen Gerichten die Angriffspunkte genommen.

Die DSGVO verdrängt damit das KunstUrhG nicht – wie von manchen erwartet worden war – sondern bezieht das KunstUrhG in das Regelungsgeflecht mit ein. Für journalistische Fotografien gelten damit weiterhin die bekannten Regeln des KunstUrhG.

LG Frankfurt

Das Landgericht (LG) Frankfurt musste über die Frage entscheiden, ob die Veröffentlichung von Videoaufnahmen mangels Einwilligung untersagt werden kann. Im Fall hatte ein Friseurbetrieb zu Werbezwecken Videoaufnahmen von einer Haarverlängerung bei der Klägerin gemacht und diese auf Facebook veröffentlicht. Die Klägerin verlangte daraufhin Unterlassung der weiteren Veröffentlichung.

Die Streitfrage ist bei Foto- und Videoaufnahmen regelmäßig, ob das KUG als nationales Gesetz überhaupt Anwendung findet, wenn die DSGVO als EU-Verordnung eigene Regeln für solche Fälle aufstellt und daher also höheres Recht vorrangig anwendbar ist. Die DSGVO sieht in Art. 85 Abs. 1 aber vor, dass nationale Gesetzgeber eigene Rechtsvorschriften in bestimmten Bereichen erlassen können.

Das Gericht ist bei seiner Entscheidung zunächst zurückhaltend und hält fest, dass es offenbleiben könne, ob die §§ 22, 23 KUG als Rechtsvorschriften im Sinne von Art. 85 Abs. 1 DSGVO weiter Geltung entfalten könnten.  Das liegt daran, dass es in beiden Fällen zur Anwendung der Grundsätze von Art. 22, 23 KUG und damit zum gleichen Ergebnis gelangt:

Direkte Anwendung des KUG als spezielles Gesetz über Art. 85 Abs. 1 DSGVO

Einmal erfolgt dies durch die direkte Anwendung über Art. 85 Abs. 1 DSGVO, der den nationalen Gesetzgebern als sog. „Öffnungsklausel“ die Möglichkeit gibt, durch eigene Rechtsvorschriften die Meinungs- und Informationsfreiheit mit dem Datenschutz in Einklang zu bringen. Eine direkte Anwendung des KUG setzt voraus, dass in Art. 85 Abs. 1 DSGVO auch Rechtsvorschriften gemeint sind, die vor der DSGVO bestanden. Dies entspricht der oben diskutierten Ansicht des OLG Köln, das davon ausgeht, dass Art. 85 Abs. 1 DSGVO nicht nur neu geschaffene Gesetze umfasst.

Indirekte Anwendung des KUG im Rahmen der Abwägung beim „berechtigten Interesse“

Alternativ dazu prüft das LG Frankfurt auch, die Regeln der DSGVO zur Einwilligung und anderen Rechtsgrundlagen anzuwenden und das KUG zunächst außer Acht zu lassen. Art. 6 Abs. 1 lit. a) in Verbindung mit Art. 7 (Einwilligung als Rechtsgrundlage in der DSGVO) führen zu dem Ergebnis, dass die Verarbeitung nicht zulässig ist, weil keine Einwilligung vorliegt.

Im Anschluss wird geprüft, ob die Veröffentlichung möglicherweise durch Art. 6 Abs. 1 lit. f) (berechtigtes Interesse) gerechtfertigt werden kann. Hierbei kommt es nun doch zur Anwendung von 22, 23 KUG. Die Kammer „erachtet insoweit die Grundsätze der §§ 22, 23 KUG und die dazu ergangene Rechtsprechung – unter Berücksichtigung einer entsprechenden europarechtsautonomen Auslegung – als Gesichtspunkte, die im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO und der Abwägung der Interessen und Grundrechte einzubeziehen sind“ und verweist dann auf das Ergebnis von oben, das unter der Anwendung der §§ 22, 23 KUG gefunden wurde. In dieser Variante ist also die Abwägung beim „berechtigten Interesse“ in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO das Einfallstor für das KUG.

Beide Wege führen zu dem Ergebnis, dass eine weitere Veröffentlichung mangels Einwilligung unterlassen werden muss. Die gleichen Regeln dürften für Fotoaufnahmen gelten.

Es beweist sich ein weiteres Mal, dass die DSGVO nicht alles „auf den Kopf stellt“, sondern trotz des Anwendungsvorrangs des Europarechts Platz für die direkte und indirekte Wirkung nationaler Gesetze und dazugehöriger Rechtsprechung lässt.

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