Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) setzt mit – der inzwischen fast üblichen – Verspätung die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht um. Nach reichlich Hin und Her zwischen Bundestag und Bundesrat beim Gesetzgebungsverfahren und vor dem Hintergrund einer von der EU-Kommission angestrengten Vertragsverletzungsklage trat das neue Gesetz schließlich am 2. Juni 2023 in Kraft.
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Mittwoch, 20. September 2023 (11-12 Uhr)
Hinweisgebersystem mit Whistleblowing-Ombudsperson
Was will das Hinweisgeberschutzgesetz?
Das Hinweisgeberschutzgesetz soll Personen schützen, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit Kenntnisse über Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder andere verbindliche Regelungen erlangt haben und diese melden. Solchen Whistleblowern muss es möglich sein, Missstände ohne Angst vor Repressalien offenzulegen.
An sich sollte es schließlich auch im Interesse der jeweiligen Organisation liegen, möglichst frühzeitig von Verstößen zu erfahren, um diese schnell abstellen zu können. Auch die Compliance als allgemeines Ziel wird durch das Gesetz unterstützt. Leider ist es aber längst nicht selbstverständlich, dass Personen, die Missstände offenlegen, tatsächlich auch unbehelligt bleiben. Daher verbietet das Hinweisgeberschutzgesetz, hinweisgebende Personen abzumahnen oder sonst aufgrund ihres Hinweises in irgendeiner Art zu benachteiligen.
Selbstverständlich gilt der Schutz des Hinweisgebers nur, sofern die Meldung nicht missbräuchlich, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich falsch erfolgte. In derartigen Fällen bleibt es möglich, gegen die meldende Person vorzugehen und beispielsweise Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Zum konsequenten Schutz von Hinweisgebern gilt bei Repressalien im zeitlichen Zusammenhang mit einer erfolgten Meldung eine Beweislastumkehr. Folgt etwa auf die Meldung eines Verstoßes eine Kündigung, wird ein Zusammenhang vermutet und der Arbeitgeber muss dies widerlegen. Durch die Repressalien entstandene Schäden sind der hinweisgebenden Person zu ersetzen.
Natürlich enthält das Hinweisgeberschutzgesetz auch die entsprechenden Hebel, um die Durchsetzung sicherzustellen. Verstöße gegen zentrale Vorgaben (etwa keine interne Meldestelle einzurichten) können mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.
Welche Hinweise werden vom Gesetz erfasst?
Unter den Schutz fallen nach § 2 HinSchG zuerst einmal alle Meldungen über Straftaten, was den Anwendungsbereich für sich alleine schon recht groß ausfallen lässt.
Aber auch lediglich bußgeldbewehrte Verstöße werden erfasst, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz von Beschäftigten oder deren Vertretungsorganen dient. Damit ist man beispielsweise mit Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung schon im Anwendungsbereich, genauso wie bei Nichtbeachtung von Vorschriften über den Mindestlohn oder Arbeitszeiten.
Zusätzlich unterfallen einige ausgewählte Vorschriften dem Anwendungsbereich, etwa aus dem Kartellrecht, dem Umweltrecht, dem Strahlenschutz, der Lebensmittel- und Produktsicherheit. Auch Regelungen zur Geldwäscheprävention und zur Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus sind erfasst, genauso wie der Verbraucher- und Datenschutz.
Im Einzelfall kann es schwierig zu entscheiden sein, ob ein Verstoß dem Hinweisgeberschutz unterfällt. Dass etwa Verstöße gegen das AGG nicht einbezogen sind, drängt sich nicht unbedingt auf. Auch vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, die Meldestelle mit Bedacht auszuwählen, um sicherzustellen, dass neben der korrekten Behandlung gegebenenfalls auch entsprechend feinfühlig mit gut gemeinten Falschmeldungen umgegangen wird.
Was schreibt das Gesetz zu Meldestellen vor?
Zunächst gilt es zwischen internen und externen Meldestellen zu unterscheiden. Hinweisgeber haben grundsätzlich die freie Wahl, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden. Das Gesetz legt lediglich nahe, sich vorzugsweise an die interne Meldestelle zu richten, sofern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind. Externe Meldestellen soll dann nur verständigt werden, wenn intern keine Abhilfe erfolgte.
Als extern werden die von Bund bzw. Ländern und einigen Aufsichtsbehörden eingerichteten Meldestellen verstanden.
Der Begriff interne Meldestelle ist leicht irreführend. Als intern gelten alle Meldestellen, die eine Organisation selbst bestellt. Damit sind also sowohl Meldestellen gemeint, die innerhalb der Organisation aufgebaut werden, als auch solche, für die ein Dienstleister eingesetzt wird. Es ist folglich nicht notwendig, eigenes Personal zu schulen und einzusetzen. Den Auftrag an Stellen außerhalb der Organisation, etwa Rechtsanwälte, zu vergeben, ist ohne weiteres möglich. Man spricht dann von einer sogenannten Whistleblowing-Ombudsperson.
Zwingend ist allein, dass die Meldestelle neutral, unabhängig und zuverlässig agieren kann. Beim genannten Beispiel der Rechtsanwälte sollten die Anwälte also nicht zugleich das Unternehmen vertreten, da dies einen Interessenskonflikt beinhaltet.
An dieser Stelle noch der kurze Hinweis für Unternehmen mit Mitarbeitervertretung: Die Einrichtung der Meldestelle ist mitbestimmungspflichtig.
Für die Einrichtung einer internen Meldestelle gelten unterschiedliche Regelungen, meist abhängig von der Beschäftigtenzahl.
- Weniger als 50 Beschäftigte: Diese Unternehmen müssen keine interne Meldestelle einrichten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Vorschriften über den Hinweisgeberschutz insgesamt nicht anwendbar sind! Das Gesetz gilt grundsätzlich für alle Unternehmen und Organisationen.
- 50 bis 249 Beschäftigte: Die Meldestelle ist bis zum 17. Dezember 2023 einzurichten.
- 250 oder mehr Beschäftigte: Unternehmen mussten interne Meldestellen innerhalb von drei Monaten einrichten; diese Frist ist also bereits abgelaufen.
- Für einige Branchen, etwa aus dem Finanz- und Versicherungssektor, gilt die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ungeachtet der Mitarbeiterzahl und mit Inkrafttreten des Gesetzes.
Meldestellen müssen Hinweise mündlich, schriftlich (z.B. mittels Hinweisgebersystem oder E-Mail) und auch persönlich entgegennehmen, sofern der Hinweisgeber dies wünscht. Es steht Organisationen frei, ob sie die Möglichkeit anonymer Meldungen anbieten. Der Gesetzgeber hat sich nicht dazu durchringen können, eine solche Möglichkeit vorzuschreiben.
Ungeachtet dessen unterliegt die Identität des Hinweisgebers sowie der Personen, die von der Meldung betroffen sind, besonderem Schutz. Die Identität darf grundsätzlich nur Mitarbeitern offengelegt werden, die für die Behandlung der Meldung konkret zuständig sind. Ausnahmen gelten freilich, wenn etwa Ermittlungen im Rahmen der Strafverfolgung auf die Meldung erfolgen.
Die Meldestelle muss alle Meldungen sorgfältig und dauerhaft dokumentieren. Für mündliche Meldungen gelten dabei besondere Vorschriften, wenn eine Aufzeichnung oder ein Wortprotokoll erfolgen soll.
Fazit: Die Schonfrist ist (bald) vorbei.
Alle Organisationen sollten spätestens jetzt wissen, ob sie ein Hinweisgebersystem ggfs. kombiniert mit einer Whistleblowing-Ombudsperson benötigen und ggf. schnellstens handeln.
Die Einschaltung einer Stelle außerhalb der Organisation kann das Vertrauen von Hinweisgebern stärken, dass Meldungen korrekt, objektiv und vertraulich behandelt werden. Dadurch wird es insgesamt wahrscheinlicher, dass Meldungen intern erfolgen.
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